Mittwoch, 24. August 2016

Die ersten Monate - 2. Hochzeitsfeier, erste Arbeit, neue Wohnung, Sozialarbeiter, eigenes Bier

Es hat wohl doch wieder ein bisschen länger gedauert, bis ich mal wieder mit einem Blogeintrag um die Ecke komme, aber wer vor Jahren schon mit verfolgt hat, weiß, dass ich ab und an mal ein bisschen schleife, was die Regelmäßigkeit angeht :-P

Daher ohne viel Umschweife direkt zu den Erlebnissen der letzten Monate und was alles so passiert ist, nachdem wir die erste Woche hart verjetlagged bei Freya zuhause verbracht haben (zusammen mit der schnell einbrechenden Dunkelheit des Winters war es abends um 6 unmöglich die Augen offen zu halten, so dass wir mehr als einmal um halb 7 - 7 eingeschlafen sind und dann um halb 4 wieder hellwach waren). Wir hatten eine herrliche zweite Hochzeitsfeier im ältesten Pub Neuseelands, der, wer hätts gedacht, von Deutschen in Upper Moutere gegründet wurde. Zusammen mit einer ortsansäßigen Folkband, gutem Essen und einer offenen Bar wurde der Tag in herrlichem Sonnenschein mit vielen neuen und ein paar alten Bekannten gefeiert. Das Thema Hochzeit wurde mit tiefem Glücksempfinden zu einem würdigen Ende gebracht, ich werde beide Tage niemals vergessen.

Ich hab dann relativ schnell innerhalb der ersten zwei Wochen einen Job in einer Pflanzenaufzucht, hauptsächlich für Obst- und Nussbäume, bekommen und dadurch schon in der 3. Woche, die wir hier waren, angefangen zu arbeiten. Da stand ich nun also, 4 Jahre später, wieder auf einem Feld und hab irgendwelche Saisonarbeiten zu tun. Viele Jobs in der Sozialarbeit gabs hier nicht als wir ankamen und da ich so schnell wie möglich anfangen wollte Geld zu verdienen hab ich einfach das erstbeste genommen, was meines Weges kam. Die ersten Wochen wurde mir eine große Heckenschere in die Hand gedrückt, mit der ich dann Bäume zu der richtigen Größe zuschneiden durfte. Das ganze lief, wie manch andere Saisonarbeit in NZ (man erinnere sich an das Apfelpflücken), auf Contractbasis, ergo, je mehr man macht, desto mehr verdient man. Der innere Ehrgeiz in mir wurde dadurch ganz gut gepusht und ich hab mich zu relativ guten Zahlen hochgedrückt und daher nicht schlecht verdient - leider sehr zum Leidwesen meines Körpers, der mehr als ein paar Tage echte Schmerzen gelitten hat (zum Glück hatte ich mit heißen Bädern und Massagen von meiner wundervollen Frau einiges an Linderung :-) ).

Nachdem ich nach ein paar Tagen eine Vertragsverlängerung angeboten bekam, erschien ein Einkommen halbwegs gesichert und wir begannen uns ernsthaft nach Wohnungen umzusehen. Ich hatte schon in Deutschland angefangen ein Auge auf die Listings bei TradeMe (eine neuseeländische Seite, die sehr weit verbreitet für alle Art von Anzeigen und Verkäufen/Käufen genutzt wird) und hatte daher eine ungefähre Vorstellung, was uns preislich erwarten würde. In Rücksprachen mit Freyas Eltern fanden wir heraus, was so die NZ - Preise für Strom, Gas, etc. sind (z.B. bezahlt man hier in Neuseeland für die Müllabholung, indem nur zugelassene Müllbeutel abgeholt werden, welche extra kosten - alles was Recycling betrifft wird kostenlos geholt). Außerdem muss man sich ein wenig umgewöhnen, was die Wohnungssuche angeht, da hier in NZ alles nach Bedrooms angegeben wird, eine in Deutschland übliche Quadratmeterangabe ist hier so gut wie nie dabei. So haben wir dann nach ein paar Tagen eine Wohnungsbesichtigung vereinbart, um uns eine 1 - Schlafzimmer Wohnung in Richmond anzuschauen. Als wir ankamen, war ich gleich begeistert von dem großen Garten, der neben einigen Zitrusbäume (Mandarinen und Zitronen) auch viel Platz für eigene Beete und Pflanzen bietet. Da es drinnen auch recht hübsch anzusehen war, gingen wir recht positiv gestimmt mit einer Bewerbung für die Wohnung aus der Sache. Vielleicht auch interessant, der Vermietungsprozess hat hier viel mit Referenzen zu tun, in unserem Fall gaben wir 6 Telefonnummern an, von Leuten die für uns sprechen konnten. Ausschlaggebend war dann letztlich aber ein guter Freund von Freyas Eltern, der für die Makleragentur die Werbeschilder ausfuhr und aufstellte. Ein paar gute Worte von ihm und bereits am nächsten Tag bekamen wir einen Anruf, dass wir die Wohnung gekriegt haben. Auch, und meiner Meinung nach noch viel stärker als in Deutschland, in Neuseeland zeigt sich: Vitamin B ist eben doch sehr hilfreich in manchen Situationen! Jetzt wohnen wir also schon seit fast 2 Monaten in unserem neuen Zuhause und kämpfen mit dem Unkraut in den Beeten, richten nach und nach die Wohnung immer mehr ein (obwohl wir, genauso glücklich wie in Deutschland, vieles bereits haben, da wir Freyas alten Bestand geplündert haben) und kommen langsam aber sicher immer mehr hier an. Mit Alyssa und Lori haben wir auch ein paar alte Freunde wieder gefunden, die damals im ersten Semester einen Monat mit uns in Würzburg gewohnt hatten :-) Außerdem habe ich von einem Arbeitskollegen alle Theoriebücher bekommen die benötigt werden für die private Pilotenlizenz! Nächstes Jahr kann ich hoffentlich anfangen, im Moment heißts also Sparen, Sparen, Sparen...nicht gerade meine Stärke, aber muss mal sein :-D

Eine riesige gute Neuigkeit der letzten Wochen war, dass ich eine Anstellung als Sozialarbeit bekommen habe! Nach einigem Suchen, ein paar gerauften Haaren und Verzweiflung (nach einer Weile ging mir die schwer körperliche Arbeit echt an die Substanz, mehr als einmal hab ich mich gefragt warum ich nach nem Studium wieder so nen Rotz machen darf) hab ich beschlossen, einen der Arbeitgeber, bei dem ich mich beworben hab, anzurufen und ihnen zu verklickern, dass ich der Beste bin, den sie in diese Position stecken können (meine typische Bescheidenheit, ich weiß :-D) - was auch tatsächlich zu nem Interview geführt hat! Bei vielen davor kam nichtmal eine Antwort zurück, von daher war ich froh wenigstens mal den Fuß in die Tür gekriegt zu haben. Mir wurde zwar nur knapp 24h vorher Bescheid gesagt, aber in gewisser Art und Weise hat mich das sehr beruhigt. Durch ein bisschen Übung während meiner Schulzeit fand ich das Spontane an der Sache vieeeel besser, als mir wochenlang vorher die Birne zu zerrupfen was ich denn alles tolles sagen könnte. Nachdem ich dann eine Stunde lang mich durch alle möglichen Arten von Fragen geschlagen hatte, kam am nächsten Tag der entscheidende Anruf: sie wollen mich für den Job! Die Anspannung der vorherigen Tage und Wochen schien mir innerhalb von Sekunden abzufallen - endlich keine Bäume mehr ausreißen :-D Stattdessen werde ich in meinem neuen Job in der neuseeländischen Familienhilfe, für eine Organisation namens Barnardos, mit Familien und vor allem deren Kindern, welche in der Vergangenheit oder Gegenwart Gewalt erlebt haben, betreiben. Nach den vorgestrigen Vertragsbesprechungen arbeite ich jetzt unter folgenden Rahmenbedingungen: 32h pro Woche, verteilt auf 8h pro Tag, 4 Tage die Woche (Dienstag-Freitag), ich bestimme meine Anfangsarbeitszeit (zwischen 08.00 und 09.00 morgens) und dadurch meinen Feierabend (zwischen 16:30 und 17:30, halbe Stunde unbezahlte Mittagspause), bekomme ein Diensthandy, meinen eigenen Schreibtisch mit PC, potentiell einen Laptop im nächsten Jahr, bezahlte Fortbildungen (die erste gleich im September in Christchurch - werde für 2 Tage ausgeflogen) und einer von 3 Dienstwägen steht mir während den Arbeitszeiten zur Verfügung für Klientenbesuche. Außerdem werden alle meine Zulassungen und Registrierungen bei den hiesigen Registration-Boards übernommen (Dachverbände, die die Qualität der soz. Arbeit überwachen, indem sie die Qualifikationen der Praktizierenden jährlich prüfen), was einige hundert Dollar gekostet hätte, wenn ich es selbst gemacht hätte. Am 01.09. gehts los, im Moment hab ich bereits meinen alten Job gekündigt und mir 10 Tage frei genommen, um etwas auszuspannen und mich auf die neue Aufgabe vorbereiten zu können.

Dadurch hatte ich in der letzten Zeit auch ein bisschen Zeit, mein neues Geburtstagsgeschenk auszuprobieren! Da hier in Neuseeland das Bier so teuer ist, ich aber als alter Oberfranke dann doch nicht unbedingt darauf verzichten möchte, hab ich mich nach Alternativen umgeschaut und siehe da, selber brauen wäre doch mal ne Idee :-P Hier in Neuseeland ist das auch (vermutlich durch den hohen Preis) irgendwie weiter verbreitet als bei uns und man findet in den größeren Supermärkten Zubehör. Zu meinem Geburtstag gabs also so ein Starter Kit mit einem 30l Fass, Brauhefe, Zucker und einer Art Konzentrat, welches man mit Zucker aufkocht. Bis 23l auffüllen, Hefe drüber streuen und Deckel druff - soweit so gut! Extrem einfach und keinerlei Aufwand, 20 Minuten hat das ganze gedauert. Dann ne Woche stehen lassen und dank des durchsichtigen Plastiks zuschauen, wie das ganze vor sich hin sprudelt und sich die Hefe langsam aufschäumt. Nach ner Weile fängt man an die "Specific Gravity" mit einem Hydrometer zu messen und wenn diese über zwei Tage hinweg konstant bleibt, kann man das Bier in Flaschen abfüllen (geschah vorgestern). Nochmal mit extra Zucker versehen gärt das jetz nochmal 4 Wochen in der Flasche vor sich hin, bevor es dann hoffentlich 23 Liter trinkbares, billig herzustellendes Lager ergibt :-P

So und damit wären wir eigentlich grob beim heutigen Tag angelangt - noch über ne Woche frei, mit aktuell kaputtem Kühlschrank, den ich versuche zu reparieren. Ich freu mich, von euch zu hören - entschuldigt falls es manchmal dauert bis ich zurückschreibe, oder auch mal nicht antworte. Es ist manchmal echt schwer, mit den hiesigen Zeitverschiebungen und einem vollen Tagesprogramm alles unter einen Hut zu kriegen!

Liebste Grüße aus Neuseeland!
Nikita

Donnerstag, 9. Juni 2016

Teil 1 - Ein wunderbar neuer (vor 4 Jahren niemals erdachter) Blogeintrag!

Wahnsinn, wahnsinn, wahnsinn. Hätte mir vor knapp 4 Jahren, als ich den letzten Blogeintrag in dieses wunderbare Online-Archiv meiner Gedanken und Erlebnisse eingetragen habe, jemand gesagt dass ich zu dieser Zeit an ziemlich genau der gleichen Stelle liegen werde, an der ich meinen letzten Eintrag verfasst habe - ich hätte es ihm zwar gerne geglaubt, aber wäre wohl über ein skeptisches Grinsen nicht hinaus gekommen.

Da bin ich also. Jahre älter, Jahre weiter, fertig studiert, verheiratet, ausgewandert. Was nun? Wer weiß. Erstmal alles auf sich zukommen lassen ;-) Erst einmal arbeite ich die lange Liste an Dingen ab, die mir durch den Kopf schwirrten, als ich beschloss, diesem Reiseblog mal wieder etwas Leben einzuhauchen. Aber wo anfangen? Vermutlich am besten da, wo ich die meisten von euch, die das hier lesen, zurückgelassen habe - der Tag nach der Hochzeit.

Nun standen wir also da, komplett übernächtigt, komplett überwältigt von all den Eindrücken der vorherigen Wochen (Auszug, Vorbereitungen, Hotelnacht, mehr Vorbereitungen, Standesamt, Gerlas, Feier) und versuchten so gut es ging, den wackeren Helden die bis zum Schluss geblieben sind beim Aufräumen zu helfen. Immer mal wieder verabschiedete sich der ein oder andere, immer häufiger floss das ein oder andere Tränchen beim "letzten Mal drücken" - ein echt komischer Gefühlscocktail, der mir da herzzereißend liebenswert gereicht wurde. Zwischen all den herumfliegenden Emotionen war es teilweise schwer das Lächeln, welches sich am Vortag ins Gesicht festgebrannt hatte, beizubehalten, aber der Blick nach Vorne und der Gedanke an das was uns auf unserem wunderbaren Weg bevorsteht, hat es geschafft das Boot über Wasser zu halten. Als letzlich alles abgebaut, verstaut, geputzt und abgesegnet war ging es dann nach Hause, wo der restliche Abend damit verbracht wurde alles für die nächsten, ebenfalls stressigen Tage zu organisieren.

Ich überspringe bewusst mal den letzten Tag in Deutschland (eines sei jedoch angemerkt, eine wundervolle Zeit mit meiner Familie war darin enthalten) und hüpfe direkt zum Frankfurter Flughafen, an dem unsere Reise nach 4 langen Jahren uns wieder zurück ins Land der langen, weißen Wolke führen sollte. Nach einiger Gepäckschieberei und einem geringfügigen Stelldichein mit der Bundespolizei (3 positive Sprengstofftests an meiner Gitarre, meinem Rucksack und meiner Jacke haben die Jungs wohl etwas beunruhigt) saßen wir dann auch schon in unserem ersten Flieger nach Abu Dhabi.
Über Langstreckenflüge gibt es eigentlich gar nicht so viel zu sagen: sie sind lang, sie sind nach einer gewissen Zeit fast immer unbequem, aber sie haben kostenloses Essen, kostenlose Getränke en masse und ein relativ gutes und ausreichendes Unterhaltungssystem. Zur Einstimmung gab es also erstmal Herr der Ringe Teil 1, das ein oder andere Bier, ein paar Runden Tetris und schwups waren wir in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Der Flughafen, an dem wir abends (etwa 33 Grad Celsius) landeten war enorm riesig und so verbrachten wir knapp eine halbe Stunde damit an unser nächstes Gate zu laufen. Da wir gar nicht so viel Aufenthalt hatten, wurde uns eine lange Wartezeit erspart und wir hüpften direkt an Bord des nächsten Fliegers - nächstes Ziel: Brisbane, Australien! Flugzeit: 14h...

Eigentlich unterschied sich der zweite Flug gar nicht so sehr vom ersten: viele Filme, viele Biere, viel Smalltalk mit dem Australier neben uns (der nachdem die australische Ölindustrie von einem wirtschaftlichen Tiefschlag gebeutelt wurde seine Tage damit verbringt zwischen Saudi Arabien und Australien zu pendeln - 5 Wochen Arbeit, 5 Wochen Freizeit) und irgendwann war auch diese lange Weile von einem Flug mal vorbei. In Brisbane erwartete uns ein gähnend leerer Flughafen - ganz ehrlich, ich hab auf dem Billigflughafen von Venedig nachts um 1 mehr Betrieb gesehen) und ein breiter australischer Dialekt, der uns beide bereits mit einem dicken Grinsen auf das bevorstehende Kauderwelsch der Australier und Kiwis einstimmte. Wieder hatten wir nur sehr kurz Aufenthalt, bevor es dann an Bord von "Air New Zealand" ab nach Wellington, der Hauptstadt der Kiwis ging.

Wieder 4h Fliegen (und langsam machten sich die Kindles, die wir uns beide vor Abflug zugelegt hatten, echt bezahlt - mehrere hundert Seiten Stephen King waren zu diesem Zeitpunkt bereits verschlungen) und dann setzten wir mit ziemlichen Gerumpel auf der neuseeländischen Landebahn auf. "As you might have noticed - we landed" tönte es lachend aus den Lautsprechern und da waren wir also, knapp 18.000km weiter am anderen Ende der Welt, nachts um 1. Nach den unüblichen Passkontrollen (jeder der europäische Passkontrollen gewohnt ist wird sich bei einer neuseeländischen zweimal umschauen - irgendwie schaffen es diese Leute selbst Nachts extrem freundlich zu sein) machten Freya und ich, geleitet von den mächtigen Adlern (Herr der Ringe, der Hobbit), welche knapp 8m groß über unseren Köpfen hingen, uns auf den Weg zur nächsten gepolsterten Sitzgelegenheit. Mehr wachend als schlafend wurden die nächsten Stunden runtergezählt, bis endlich, endlich, frühs um 8 unser Flug von Wellington nach Nelson abhob und sich nach einer knappen 3/4h wieder absenkte. Die nächsten Stunden waren ein riesiger Wirbelwind aus freudiger Begrüßung und glücklichem Beisammensein mit Freyas Eltern, was nach 4 Jahren, in denen man sich nicht gesehen hatte, wohl nur all zu verständlich ist.

An dieser Stelle beende ich Teil 1, da ich langsam ziemlich müde werde. Morgen oder die nächsten Tage folgt dann Teil 2, der dann alles über die letzten 2 Wochen seit unserer Ankunft detaillierter auslegt.